Jugend zeigt Präsenz

Sind die Migrantenkinder krimineller, als die deutschen Kinder? Wie kann man als Russlanddeutscher erfolgreich in Deutschland werden und warum passt in diesem Zusammenhang der Begriff „Assimilation“ nicht? Diese und andere Fragen beantworteten bei der Podiumsrunde „Jugend zeigt Präsenz in Hamburg“ junge Deutsche aus Russland, die ihr Leben in der Bundesrepublik mit großem Erfolg gemeistert haben. Die Veranstaltung organisierte der Hamburger Verein der Deutschen aus Russland e.V. (HVDaR), in Zusammenarbeit mit der Landesgruppe Hamburg der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland (LmDR) e.V. sowie der Jugendorganisation der LmDR e.V. 

Engagiert und selbstbewusst, trafen fünf junge Russlanddeutsche am 24. Oktober 2015 im Hamburger Bezirk Harburg ein, um Geschichten über ihren Werdegang, dessen Höhen und Tiefen, mit dem Publikum zu teilen. Die Veranstaltung sollte auch zu einer anderen Wahrnehmung der Deutschen aus Russland beitragen, sowie dabei helfen, Vorurteile abzubauen.

So glaubt zum Beispiel die junge Mitgliederin des Integrationsbeirats Hamburg, Natali Ishchenko, dass die Motivation, sich in der deutschen Gesellschaft zu etablieren, oft vom Elternhaus ausgehe. „Wenn also die Eltern einen dazu drängen und sagen: Wenn du was willst, dann erwarte nicht, dass es einfach vom Himmel fällt, sondern gehe und tue was dafür.“ Dima Weimar, Polizeikomissar und Kickboxerweltmeister, gestand im Gegenteil, dass er trotz der Ratschläge seiner Eltern zunächst einen falschen Weg eingeschlagen habe, indem er zu viel Umfang mit den „falschen“ Freunden hatte: „Selber schuld.  Als Jugendlicher stellt man sich ja immer quer“. Nachdem aber in sein Leben Sport mit seinen strengen Regeln kam, änderte sich alles für Dima. „Ich habe den Willen entwickelt, überall der Beste sein zu wollen. Das hat mit dem Sport angefangen und wurde dann im Job fortgesetzt“, erzählte der Polizeibeamte. Er befasste sich auch mit dem Thema Kriminalität bei Migrantenkindern und ist zu dem Entschluss gekommen, dass der Migrationshintergrund dabei fast keine Rolle spiele. Kriminell werden die Jugendlichen, wenn sie unter Gewalt in der Familie leiden, falsche Freunde und schlechte Schulbildung haben. Ob Russe oder Türke – der Migrationshintergrund gehe dann fast gegen Null, wenn man all diese Punkte bedenke, so Dima Weimar.

Die Moderatorin der Podiumsdiskussion Ella Kerner (HvdaR) warf die Frage in die Runde, ob Russlanddeutsche Jugendliche sich letztendlich in der deutschen Gesellschaft assimilieren und eindeutschen werden. Darauf erwiderte Natali Ishchenko, dass „assimilieren“ ein ziemlich fieses Wort sei. „Allein dadurch, dass unsere Vorfahren die Kultur, die Geschichte, und gewisse Tugenden aufbewahrt haben“. Und fügte sofort hinzu: „Ich glaube übrigens nicht, dass der Unterschied zwischen einem „normalen“ Deutschen und einem Deutschen aus Russland größer ist, als zwischen einem Bayer oder einem Schwaben.“ „Ich glaube, man sollte aus beiden Kulturen die Essenz rausfiltern. Dadurch wird man dann individuell, authentisch und ein guter Mensch, sagte auch Ivan Lemisev, Student der Betriebswirtschaftslehre. Viktor Kessler, erfolgreicher Gewichtheber, fand: „Es besteht die Tendenz, dass Kinder von russlanddeutschen sich in der deutschen Gesellschaft auflösen. Ich schätze, meine Kinder werden sich nicht als Russlanddeutsche, sondern eher als Deutsche identifizieren“. Die Jugendlichen kamen auch auf das Thema der Bewahrung von eigenen Wurzeln zu sprechen. Georg Dege, junger Beauftragter für Aussiedlerfragen der CDU im Berliner Bezirk Spandau, betonte, wie wichtig es sei, die Geschichte von unseren Vorfahren zu pflegen. „Ein Baum hält sich besser, und wächst besser, wenn man viele Wurzeln hat. Und gerade Spätaussiedler haben ziemlich viele Wurzeln, denn unsere Geschichte ist lang. Diese Geschichte müssen wir kennen und unseren Kindern erzählen.“ Diese Metapher stieß auf eine große Zustimmung  bei dem Publikum.

Austausch mit Vertretern der Politik

Beim Treffen waren auch viele örtliche Politiker dabei, die mit den russlanddeutschen Jugendlichen ins Gespräch kamen. Schon in deren Begrüßungsreden machten sie deutlich: Russlanddeutsche Jugendliche integrieren sich gut in die deutsche Gesellschaft. „In Russland wurde ja die deutsche Sprache in der Nachkriegszeit verboten. Viele kamen deswegen nur mit begrenzten deutschen Kenntnissen hier zurück. Und diese Jugendliche haben es trotzdem geschafft, sich hier zu integrieren und die deutsche Sprache perfekt zu lernen“, sagte Peter Kröger vom Bezirksamt Harburg.

Da deutsche Politiker das Thema Flüchtlinge derzeit sehr beschäftigt, äußerten sie den Wunsch, dass „auch die Flüchtlinge, die zur Zeit zu uns kommen, es auch schaffen, sich so gut zu integrieren, wie Deutsche aus Russland,“ meinte zum Beispiel auch Manfred Schulz, Vorsitzender der Bezirksversammlung Harburg der Stadt Hamburg (SPD). An dieses Thema knüpfte auch Ralf-Dieter Fischer, Vorsitzender der CDU-Fraktion der Bezirksversammlung Harburg, an, indem er behauptete: „Alle ächzen darüber – wie viele Leute kommen denn hier, schaffen wir das alles? Ich glaube, wir können das sicher nicht bewältigen“.

Vorsitzender der Ortsgruppe Hamburg der LmDR Dr. Otto Horst drückte die Hoffnung aus, dass in der ganzen Flüchtlingskrise Probleme der Russlanddeutschen nicht an ihrer Bedeutung verlieren: „Dieses Thema rührt Deutsche aus Russland. Wir wollen auch zeigen – wir sind da, wir gehören Deutschland und auch unsere Probleme sind zu regeln.“

Zum Abschluss der Veranstaltung bedanke sich der Vorsitzende des HVDaR, Gottlieb Krune, bei allen Jugendlichen, die bei der Organisation der Podiumsdiskussion aktiv mitgewirkt haben: „Vielen Dank, junge Welt, es war klasse! Ich bin begeistert und habe heute etwas gelernt.“ Und gab mit auf dem Weg: „Auch wenn du was erreicht hast, bitte nicht stehen bleiben!“

 

Lena Arent (Redaktion der Jugend-LmDR)


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